Aloha.
Vor etwas längerer Zeit ist ein befreundeter Fotograf an mich herangetreten und wollte von mir einen ganz bestimmten technischen Sachverhalt erklärt bekommen.
Er hatte sich gefragt, warum zum Beispiel bei einem Objektiv 70–200/4 die Blende bei jeder Brennweite durchgehend gleich ist und wie dies in Zusammenhang mit dem Durchmesser der Frontlinse steht.
So spontan konnte ich Ihm die doch sehr komplexen Zusammenhänge auch nicht verständlich darlegen, aber in Zukunft kann ich jetzt immer auf meinen Artikel zu diesem Thema verweisen, der dies alles hoffentlich plausibel erklärt.
Nehmt es mir aber bitte jetzt nicht übel, dass ich nicht jeden fotografischen Begriff oder solche aus der Optik haarklein erkläre, den dies würde aus diesem Artikel eine wissenschaftliche Abhandlung von der Stärke eines Telefonbuchs machen. Wo es meiner Meinung nach nötig erscheint, setze ich aber Links auf weiterführende Infos in der Wikipedia oder ähnlichen Informationsportalen.
Okay, mögen die Spiele beginnen und das am besten mit der Theorie ;-)
Wie definiert sich die Blende (korrekte Blendenzahl) überhaupt:
Die Blendenzahl (f2.8, f4, …) entsteht aus dem Bruch Brennweite / Durchmesser der Eintrittspupille. Wobei der Durchmesser der Eintrittspupille nicht dem tatsächlichen Durchmesser der Blende (Irisblende) entsprechen muss. Eintrittspupille ist das Bild der körperlichen Blende, das die Linsen vor der Blende erzeugen. Also objektseitig (objektseitig = auf der Seite des Motivs).
Erste Erkenntnisse:
Hieraus leiten wir jetzt unsere erste Erkenntnis ab, die da wie folgt lautet:
Würde sich die Eintrittspupille proportional zur Brennweite verändern — wie ja vermutet — würde sich die Blenden tatsächlich verändern.
Beispiel: 70–200/2.8; Blende 2.8 bei 70mm; Blende 5.6 bei 140mm; …
Jetzt ist aber zum Glück die Eintrittspupille nicht konstant, sondern hängt direkt von der gewählten Brennweite ab. Bei unserem Beispiel-Objektiv — dem 70–200/2.8 — also einem Zoomobjektiv mit durchgehender Blende, wächst der Durchmesser der Eintrittspupille proportional mit der Brennweite und dies ist auch der Grund, warum die Blende (Blendenzahl) konstant bleibt.
Ein Versuch der Verdeutlichung:
Um dies zu Verdeutlichen, muss ich an dieser Stelle einfach mal mit fiktiven Werten rechnen (diese sind von Objektiv zu Objektiv natürlich unterschiedlich und wahrscheinlich nur dem Hersteller bekannt).
Beispiel 1: Brennweite 70mm / Eintrittspupille 25mm = Blende (70mm / 25mm = 2.8 )
Beispiel 2: Brennweite 140mm / Eintrittspupille 50mm = Blende 2.8 (140mm / 50mm =2.8 )
Beispiel 3: Brennweite 200mm / Eintrittspupille 71.4mm = Blende 2.8 (200mm / 71.4mm = 2.8 )
Wir können an dieser Stelle so rechnen, weil sich die Eintrittspupille ja proportional zur Brennweite ändert und daher in unserer Gleichung die Blende unveränderlich bei 2.8 bleibt.
Beispiel 3 zeigt uns auch sehr schön, warum der Durchmesser der Frontlinse immer größer/gleich der maximalen Eintrittspupille sein muss. In unserer Rechnung kommt ja als Wert für die Eintrittspupille bei 200mm Brennweite ein Wert von ca. 71,4mm heraus und der Frontdurchmesser ist bei 2.8er-Tele-Objektiven meistens 77mm oder sogar noch größer.
Ein befreundeter Fotograf — Daniel Boettcher — war so freundlich, zu diesem Rechenbeispiel eine Schemazeichnung anzufertigen, wofür ich Ihm an dieser Stelle noch einmal danken möchte.
Gilt dies auch bei Objektiven mit veränderlicher Blende?
Bei Objektiven, wie zum Beispiel dem 18–55/3.5–5.6, trifft diese Regelung auch zu, nur das hier die Eintrittspupille halt nicht proportional (man könnte auch sagen nicht schnell genug) zur Brennweite wächst und daher die Blendenzahl auch nicht konstant gehalten werden kann.
Begrifflichkeiten:
An dieser Stelle würde ich gerne noch schnell ein paar Begrifflichkeiten klären:
Irisblende = Das mechanische Teil, welches von uns immer als Blende bezeichnet wird. Die Blende hat eine variable Öffnungsweite. Die Öffnung kann in einer Art und Weise variiert werden, dass sie unabhängig von der Größe immer nahezu kreisförmig ist und der Mittelpunkt konstant bleibt.
Körperliche Blende = Schwierig zu erklären, grob formuliert aber schlicht und ergreifend die optische Konstruktion des Objektives an sich, zumindest der Teil, welcher vor der Irisblende liegt. Das Licht fällt von vorne ins Objektiv (hier schon begrenzt auf 77mm) und breitet sich im Objektiv durch Linsen begrenzt aus, wobei der Schnittpunkt in der Mitte der Irisblende liegt. Das kann sich ungefähr wie eine auf der Seite liegende Sanduhr vorstellen. Die beiden von dieser körperlichen Blende erzeugten Bilder nennt man auch Pupillen. Die vor der Irisblende liegende (motivseitig) heißt daher auch Eintrittspupille und die Sensorseitige Austrittspupille.
Weiterführende Informationen:
Im Bedarfsfall weitere Erklärungen einfach mal hier nachschlagen:
Techniklexikon — Blende (Suchen nach Aperturblende)
Elmar Baumann — Blende, Eintrittspupille, Austrittspupille, …
Resümee:
Es sollte jetzt klar geworden sein, dass ein 70–200/2.8 nicht nur bei 70mm eine Lichtstärke von f=1:2.8 aufweist oder — was für uns natürlich besser wäre — diesen Wert bei 200mm erreicht und dieser beim Reinzoomen noch kleiner wird (also in Richtung f=1:2.0). Und jetzt wünsche ich noch viel Spaß beim Arbeiten mit der konstanten Blende über den gesamten Brennweitenbereich ;-)
Das Kleingedruckte:
Für Rückfragen, Verbesserungsvorschläge, Ideen zur Erweiterung dieses Artikels und Co. bin ich natürlich stets zu haben. Nutzt dazu doch bitte die Kommentarfunktion unterhalb dieses Artikels :-D
Ich weise an dieser Stelle auch noch einmal freundlich darauf hin, dass dieser Artikel – und natürlich auch alle anderen auf diesem Blog – nicht so einfach ungefragt kopiert und an anderer Stelle im Internet wieder eingefügt werden dürfen. Sollte berechtigtes Interesse an diesem oder anderen Texten bestehen, so schreibt mich einfach an. Danke ;-)
Den Artikel finde ich aufschlussreich.
Allerdings wird in meinen Augen vernachlässigt, WARUM ich mich für so etwas entscheiden sollte.
Was unterscheidet das Objektiv zb im Vergleich zu einem 24–105 1:3,5–5,6 und warum ist das 500€ günstiger?
Hallo, Pete.
Ich freue mich natürlich darüber, dass Dir mein Artikel gefällt. Danke.
Zu der von Dir angesprochenen Thematik sage ich nur soviel, dass dies bestimmt auch ein reizvolles Thema wäre, es jedoch die rein technische Ausrichtung dieses Artikels “verwässern” würde. Immerhin gibt es dort draußen eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Objektiven und die Geschmäcker sind ja bekanntermaßen auch extrem unterschiedlich. Klar, so ein 70–200/2.8 ist optisch immer besser als ein 70–300/4–5.6.In manchen Situationen kann das günstigere/lichtschwächere Objektiv aber auch im Vorteil sein. Gewicht, Anschaffungspreis, eventuell nur als Zusatz für eine Reise gekauft, Nutzung durch Kinderhände etc. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass ich nicht Experte genug bin, um die Qualität/Eigenschaften eines Objektivs zu beurteilen. Dies können so Spezialisten wie die Jungs von Photozone und Co. wesentlich besser ;-)
Trotzdem werde ich die Idee nicht grundsätzlich verwerfen, zu der von Dir angeregten Thematik mal einen Artikel zu schreiben.
MfG Maic ;-)