Aloha.
Bald ist es wieder soweit und der Sommer kehrt mit vielen warmen und hellen Tagen in unser Leben zurück. Wobei viel Licht ja nicht immer von Vorteil für uns Fotografen sein muss.
Jeder von uns kennt das Problem, dass man bei zu viel Licht häufig nicht mehr auf die gewünschte große Blende kommt. Die meisten DSLRs beherrschen zwar längst 1/8000 sek als kürzeste Belichtungszeit, aber selbst dies ist manchmal noch zu lang.
Als Beispiel nehmen wir einmal folgende fotografische Situation:
Wir möchten einen kleinen Gebirgsbach, oder auch einen kleinen Wasserfall in dem selbigem, mit einer großen Blende (f1.8, f2.8 etc.) und einer längeren Belichtungszeit fotografieren, um das fließende Wasser in seiner Bewegung zu zeigen und nicht etwa mit einer kurzen Belichtungszeit komplett einfrieren.
Jetzt haben wir folgendes Problem: Unsere Kamera steht vermutlich schon jetzt bei ISO 100 (oder 50, sofern vorhanden), die Zeit auf 1/4000 oder einem ähnlichen Wert und einer kleinen Blende von f11 oder mehr.
Um das Wasser in seiner Fließbewegung zu zeigen, brauchen wir aber zwingend eine längere Belichtungszeit und gescheites Freistellen ist mit Blende f11 auch schlecht möglich.
Was also tun?
Die Lösung heißt Neutraldichtefilter, umgangssprachlich auch Graufilter genannt. Mit diesem können wir einen bestimmten Anteil des einfallenden Lichts aussperren und somit kommen wir auch wieder auf unsere gewünschte Kombination aus Blende und Zeit ;-)
Doch jetzt fangen die Probleme erst richtig an. Die Stärke eines ND-Filters wird häufig als Filterfaktor in Blendenstufen oder in Dichte angegeben. Auf so einem Filter kann also ND64, +6 oder 1,8 stehen. Von den Herstellerbezeichnungen mal ganz abgesehen. Die Firma B&W schreibt zum Beispiel 101; 102 etc. auf den Filterring. Klasse, denn jetzt weiß keiner mehr welcher Wert was bedeutet und welcher Filter für uns der richtige ist.
Aus genau diesem Grund habe ich versucht, in dieses Wirrwarr ein wenig Licht zu bringen.
Okay, kommen wir zur Theorie:
1. Die Blenden-Reihe
Die normale Blenden-Reihe sieht so aus f=1 : 1,0 / 1,4 / 2 / 2,8 / 4 / 5,6 / 8 / 11 / 16 / 22 / 32 / 45 / 64 / … / …
Dies ist später eventuell noch nützlich, wenn wir die Blendenstufen abzählen möchte.
2. Verlängerungsfaktoren anderer Filtertypen
Der “Skylightfilter KR 1,5” besitzt keinen Verlängerungsfaktor von 1.5, sondern er macht die Lichtfarbe um 15 Mired (andere Maßeinheit für Farbtemperatur) wärmer.
Sein Filterfaktor beträgt ca. 1,1 (Dichte = 0,04). Dies entspricht keiner Blendenstufe, somit ist sein Einfluss auf die Belichtung als unerheblich zu betrachten.
Dem vergüteten Polarisationsfilter wird nachgesagt, dass er bis zu 2 Blendenstufen bringt. Auch dies ist eher nicht der Fall. Sein Filterfaktor liegt — je nach Stellung — bei ca. 2,3 bis 2,8 (Dichte bei 2,3 = 0,36). Dies entspricht max. 1 Blendenstufe.
3. Der ND-Filter und wie gerechnet wird
Gehen wir mal von einem ND4-Filter aus. Dieser hat einen Filterfaktor von 4, besitzt eine logarithmische Dichte von 0,6 und bringt so circa zwei Blendenstufen.
Somit wären wir in der Lage, zum Beispiel mit f=1:4 (Blende 4) statt mit f=1:8 /Blende 8) oder mit einer Belichtungszeit von 1/15 sek statt mit 1/60 sek zu arbeiten.
Ist zum Beispiel nur der Filterfaktor bekannt, dann kann die Dichte durch ein simples Dichte = log(Filterfaktor) ausgerechnet werden.
Beispiel: Filterfaktor 64 -> log(64) = 1,8 (gerundet).
Wenn nur die Dichte bekannt ist, so kann mit der Formel 10^Dichte=Filterfaktor auch der Filterfaktor ausgerechnet werden.
Beispiel: Dichte 1,5 -> 10^1,5 = 32 (gerundet).
In der nachfolgenden Tabelle sind einmal die gebräuchlichsten Werte gegenüber gestellt.
4. Filter kombinieren
Auch dies ist möglich. Als sinnvoll wird häufig der Erwerb von einem ND-Filter mit einem Filterfaktor von wenigstens 8 empfohlen. Ich selber nutze sowohl einen mit ND4 und einen mit ND8, denn diese lassen sich einfach und simpel kombinieren.
Dabei gilt folgende Regel:
“Werden zwei Filter kombiniert, so multipliziert sich der Filterfaktor während sich die Blendenstufen addieren.”
Aus einem ND4-Filter und einem ND8-Filter wird also ein ND32-Filter. Dieser wiederum besitzt einen Verlängerungsfaktor von 5 Blendenstufen. Ein ND64-Filter besitzt auch nur einen Verlängerungsfaktor von 6 Blenden, also gerade einmal eine Blende mehr, ist aber manchmal einfach zu viel des Guten. Wie Ihr seht, ist man mit zwei, drei kleineren Filtern vor Ort wesentlich flexibler.
5. Durchlässigkeit
Die Durchlässigkeit der Filter staffelt sich wie folgt:
ND2 = 50%
ND4 = 25%
ND8 = 12,5%
ND32 = 3,125%
ND64 = 1,56%
ND1000 = 0,10%; …
Bei einem ND-Filter mit einer Stärke von 1000 gelangt also nur noch ein Zehntel-Prozent an Licht auf den Sensor/Film!
6. Wie stelle ich mit solch einem starken Filter scharf?
Bei einem 1000er Filter muss man definitiv erst alles “ohne” Filter manuell einstellen und dann kurz vor dem Auslösen das Filter vor das Objektiv schrauben. Mit angebrachtem Filter sieht man durch den Sucher nämlich schlichtweg gar nichts mehr.
7. Was muss ich bei starken Filtern beachten?
Bei den “großen” ND-Filtern ab 64 gibt es noch ein weiteres Detail zu beachten! Aufgrund erhöhter Transmission im Rot um 660 Nanometer, ergibt sich in Farbaufnahmen ein leichter Warmton. Dieser Effekt kann aber mit einem IR-Interferenz-Sperrfilter abgestellt werden. Wichtig! Das Sperrfilter kommt immer vor den Graufilter, niemals dahinter.
B&W, Heliopan und Co. bieten in diesem Segment sehr hochwertige (und leider auch hochpreisige) Filter an.
8. Weiterführende Links
Wikipedia — Neutraldichtefilter
Wikipedia — Mired
Heliopan — Graufilter
B&W — Graufilter
9. Das Kleingedruckte:
Für Rückfragen, Verbesserungsvorschläge, Ideen zur Erweiterung dieses Artikels und Co. bin ich natürlich stets zu haben. Nutzt dazu doch bitte die Kommentarfunktion unterhalb dieses Artikels :-D
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